Hallo ich bin Jawad und ich wohne seit dreieinhalb Jahren in Hamburg. Ich komme aus Afghanistan und ich möchte meine Geschichte erzählen wie ich nach Hamburg gekommen bin. Es ist eine lange Geschichte. Dass ich von meinem Land weggegangen bin war nicht meine Entscheidung. Und es war auch nicht meine Entscheidung dass ich in diesem Land geboren wurde.
Als ich vier Jahre alt war musste ich mit meinen Eltern mein Dorf und Land wegen dem Krieg in Afghanistan verlassen. Wir sind in den Iran geflüchtet. Im Iran war die Situation für Flüchtlinge aus Afghanistan nicht gut. Wir bekamen ein Papier um nur kurzfristig da zu leben. Wir durften nicht zur Schule gehen, nicht arbeiten und nicht etwas in unserem Namen kaufen. Sie machten so viel Druck auf uns damit wir so schnell wie möglich wieder zurück gehen. Wenn sie uns auf der Straße sahen wurden wir immer kontrolliert und es ist auch oft passiert dass Männer wenn sie von der Arbeit kamen festgenommen und abgeschoben wurden. In Maschat an der Grenze gab es ein Konzentrationslager für Afghanische Flüchtlige. Es gab kein Essen, nur ganz viel Folter. Ich war nicht in diesem Lager aber meine Freunde haben mir davon erzählt. Sie standen den ganzen Tag in der Sonne oder im Winter in der Kälte, sie mussten Zwangsarbeit machen, manchmal wenn sie rausfanden dass man das zweite Mal im Iran war wurden sie gefoltert. Fast alle die das Lager verlassen konnten wurdern psychisch krank und dann wurden sie nach Afghanistan abgeschoben. Immernoch heute werden Leute an der Grenze von Soldaten erschossen, viele haben Angst davor und fliehen nicht mehr in den Iran.
Mein Vater arbeitete schwarz und es dauerte bis ich 10 Jahre alt war und dann fing auch ich an zu arbeiten. Ich half auf Tomatenfeldern. Mein Vater gab sich viel Mühe damit ich zur Schule gehen konnte aber es hat nie geklappt. Die Iranische Behörde hat das immer abgelehnt und wollte uns nicht in die Schule lassen. Später habe ich als Tierarzthelfer zwei Jahre lang gearbeitet. Und dann fünf Jahre als Tischler bis 2005. Es war eine sehr schlechte Situation in dem Iran. Ich konnte nicht einfach rausgehen und mit Iranischen Kindern spielen. Sie haben so viel Druck auf uns gemacht und ich fühlte mich weniger Wert als die Iraner. Auch bei der Arbeit oder beim Einkaufen hatten wir immer Probleme auch mit normalen Menschen im Iran. Sie haben sich richtig schlecht uns gegenüber verhalten. Ich war Analphabet aber mein Vater brachte mir ein bisschen das Lesen und Schreiben bei.
In 2003 sind wir nach Afghanistan gegangen. Wir waren total müde und wollten einfach aus dem Iran weggehen. Aber als wir in Afghanistan ankamen waren wir schockiert weil es keine Sicherheit dort gab, immernoch Krieg, immernoch Blut, immernoch Probleme. Dieses Mal bekam ich alles mit. Nach zweieinhalb Monaten verließen wir Afghanistan wieder. Die Sitation war so, entweder musstest du jemanden töten oder man wurde selber getötet. Man hatte immer Angst und es gab ganz viele Unsicherheiten. Wir sind zurück in den Iran geflüchtet aber die Situation dort war immernoch schrecklich und es wurder noch schrecklicher. Sie kontrollierten überall, manchmal auch aus Spaß. Und sie kamen auch zu uns nach Hause um uns festzunehmen. Wenn man etwas Wertvolles hatte kam die Polizei und nahm es weg. Auch auf der Arbeit bekam man oft das Geld nicht. Ich hatte oft dieses Problem. Ich konnte nicht nach Afghanistan zurück gehen.
Ich entschied mich das Land zu verlassen. Ich habe mich mehrere Monate lang erkundigt und ich fand jemanden der mir und meinen Freunden helfen konnte das Land zu verlassen. Das war im Mai 2005. Wir sind dann in die Türkei gekommen, das war auch ganz schrecklich. Dann von der Türkei sind wir mit dem Schlauchboot nach Mytilene mit fünf Leuten gekommen. Dann bin ich weitergegangen nach Athen. Ich wollte in Griechenland beiben und die Sprache lernen. Ich bin nach Kreta in ein Heim für minderjährige und unbegleitete Flüchtlinge gegangen. Es war komisch, ich dachte die Sprache wäre Englisch. Ich hatte ein paar Wörter Englisch gelernt. Als ich ankam war ich ganz überrascht wie die Griechen sich verständigten.
Nach zwei Jahren konnte ich gut Griechisch reden und ich wurde ein Helfer vom Dolmetscher im Heim. Dann bin ich nach Athen gegangen zum arbeiten aber bei der Behörde halfen sie mir nicht so gut. Ich wollte auch meine Familie besuchen aber ich durfte nicht reisen deswegen entschied ich mich Griechenland zu verlassen. Ich habe gemerkt dass ich hier meine Träume nicht erfüllen konnte. Dann bin ich nach Patra gegangen. Ich möchte nicht beschreiben wie man sich die ganze Zeit versteckt. In LKWs, unter LKWs, in der Zeit wenn sie bei einer Ampel anhalten, während man von der Polizei und Rassisten gejagt wurde. Es war auch psychologisch ganz schwierig. Man war ganz alleine und gar nichts wert. Wenn man da ist in Patra dann ist es richtig richtig schlimm. Aber was mich motiviert hat war meine Hoffnung, die hat mich angetrieben. Von Patras habe ich es zwei Wochen lang nicht geschafft, bin zurück nach Athen, und dann nach Korintos. Von dort bin ich nach Italien gekommen, in einem LKW auf einem Schiff, zwei Tage und Nächte. Ich bin in Venedig angekommen, dann von dort nach Österreich und dort hat die Polizeit uns kontrolliert und verhaftet. Sie sagten wir müssten zurück nach Griechenland. Ich wollte nicht und sagte das. Sie brachten uns in ein Abschiebelager und ich ging in einen 10 tägigen Hungerstreik. Ich habe nur wenig Wasser in der Nacht getrunken und in den Tagen habe ich so 15-16 Kilo verloren. Die Ärzte haben entschieden dass ich mit meinem anderen Freund freigelassen würde.
Aber sie haben einen Trick gespielt. Sie haben gesagt, hier ihr seid frei, ihr könnt Asyl beantragen. Als wir in die Behörde gegangen sind brachten sie uns Essen aber danach kamen zwei Polizisten mit Handschellen und sagten ihr müsst wieder ins Gefängnis zum abschieben. Ich war so enttäuscht und die ganze Welt war so dunkel, ich verlor meine Hoffnung. Drei Monate waren wir im Gefängnis in Wien. Es ging mir richtig schlecht und ich bekam Anti-Depressions Tabletten und Schlaftabletten sodass ich die ganze Zeit schlief. Ich aß nur und ging dann wieder schlafen. Manchmal war ich nur so 2 Stunden am Tag wach.
Es kam der Tag an dem sie mich zum Flughafen bringen wollten. Ich habe mich geweigert. Es gab eine Heizung in meiner Zelle. Ich habe mich dazwischen geklemmt damit ich selber nicht rauskommen konnte. Sie sind reingekommen und haben geschrieen und mich geschlagen aber ich konnte nicht raus. Dann haben sie es gemerkt und Fachkräfte gerufen die mich rausgeschnitten haben. Dann kamen so 10-12 Polizisten und schlugen mich zusammen. Sie setzten mich in ein Auto und brachen mich zum Flughafen. Einige Stunden später befand ich mich wieder in Athen. Als ich hier ankam war ich nicht bewusst, konnte nicht denke oder irgendetwas machen. Ich hatte keine Lust mehr zu leben. Glücklicher weise hatte ich einen Freund hier und ihn traf ich auf der Straße und er nahm mich nach Hause. Manchmal verließ ich das Haus zum spazieren und manchmal ging ich so weit dass ich nicht mehr wusste wo ich war. Ich konnte auch nicht auf Autos achten aber das war mir egal. Ich ging immer ans Meer und saß neben dem Meer und guckte aufs Wasser. Ich guckte auch auf die Menschen neben mir und ich wollte immer wissen was der Untschied war zwischen mir und denen. Was habe ich falsch gemacht? Und warum ist das Leben so hart für manche Menschen? So viele Leute hier, Millionen, und die Stadt hat so eine lange Geschichte und Kultur aber ich bin ganz alleine. Wieso ist das Leben so?
Es ging so ungefähr zwei Monate, ich konnte nicht arbeiten, ich wollte mich nicht mit Freunden treffen und immer alleine sein. Ich glaube wenn ich meine Familie nicht gehabt hätte, hätte ich mich umgebracht. Ich habe nachgedacht, ok du hast Leute die auf dich warten und das würde reichen wenn sie wissen dass du lebendig bist. Das ist denen wichtig. Das war in meinem Kopf und wegen meiner Mutter musste ich weitermachen. Dann nach zwei oder drei Monaten habe ich Nachhilfe gesucht bei GCR und anderen aber die waren überfüllt. Aber weil ich Griechisch sprechen konnte war es für mich einfacher und ich konnte meine Probleme ausdrücken. Nach drei Monaten habe ich von Anwelten Hilfe bekommen. Sie haben mir ein Platz in einem Haus für Flüchtlinge gefunden. Dann habe ich versucht mein Griechisch zu verbessern und ich spielte wieder Fussball mit Freunden aber ich nahm immernoch diese Anti-Depressions Tabletten. Ich fing an zu arbeiten und nahm weniger Tabletten. Es ging mir ein wenig besser. Durch meine Helfer kannte ich ein paar Leute und bekam das Angebot in Mytilene als Dolmetscher zu arbeiten. So bin ich nach Mytilene zurückgekommen. Ich kannte durch meine Situation sehr gut die Fachwörter und die Situation von Flüchtlingen. Ich habe zwei Jahre lang hier gearbeitet, das war eine gute Zeit aber immernoch konnte ich nicht hier in Griechenland bleiben weil ich immernoch nicht reisen durfte und meine Familie im Iran nicht besuchen konnte. Ich entschied mich nach Deutschland zu gehen. Ich bin illegal nach Deutschland geflogen. Ich dachte ich würde vielleicht wieder nach Mytiline zurück gehen aber dann blieb ich in Deutschland. Ich ging zur Schule und jetzt mache ich eine Ausbildung. Ich habe tolle Menschen dort getroffen die mir helfen. Es ist fast wie eine Familie. Sie unterstützen mich immer, überall. Und ich fühle mich richtig gut in Hamburg.
Ich habe mich sehr gefreut als ich hörte dass ich zurück nach Mytilene fliegen konnte. Am Tag der Reise war ich ein bisschen am zweifeln, ich hatte ein schwieriges Gefühl. Ich hatte aber tolle Freunde dabei und wir redeten über andere Sachen. Ich wollte unbedingt nochmal Athen sehen und wir gingen aus den Flughafen raus. Die Straßen waren leer, viele Geschäfte zu und die Leute genervt. Ich hatte nicht so ein gutes Gefühl in Athen aber ich freute mich das gesehen zu haben.
Als ich wieder ins Flugzeug stieg kam mir etwas anderes in den Kopf. Ich dachte an die Zeit in der ich in Mytilene ankam mit dem Schlauchboot oder als Dolmetscher. Jetzt dreieinhalb Jahre später kommen ich zurück als Tourist! So ist das Leben, immer überraschend.
Im Flugzeug war ich aufgeregt. Als ich ankam übernachtete bei einem alten Freund, dann ging ich morgens durch die Stadt und traf ein paar Leute. Diesmal war es anders, sie hatten mehr Respekt und haben sich anders verhalten besonders wenn sie merkten dass ich deutsche Papiere hatte. Warum ist das so? Ich als Person und mein Charakter haben sich nicht verändert. Das ist für mich so unlogisch, nur wegen einem Papier bekommt man Respekt und nicht weil man so ist wie man ist oder sich fühlt. Zum Beispiel als Afghane, wenn man so benannt wird dann verhalten sich die Leute anders als wenn man als Deutscher oder Amerikaner benannt wird. Die inneren Werte zählen nicht. Keiner kann sich aussuchen wo man auf die Welt kommt und niemand hat Schuld dass man irgendwo geboren wird wo es nicht so gut ist. Einige Menschen machen es noch schwieriger für sich und die anderen. Viele wollen auf Kosten der anderen leben. Das ist richtig unfair.
Unser Projekt hier ist sehr schön und auch die Leute die es organisiert haben. Es ist schön dass es noch so Leute gibt die anderen helfen und ihnen Hoffnung geben. Diese Menschen sehen die anderen nicht als Flüchtlinge oder Ausländer. Sie sehen sie als Menschen. Sie verhalten sich allen Menschen gleich gegenüber und gucken nicht auf Papiere. Deswegen finde ich dieses Projekt toll und freue mich dass ich die Möglichkeit habe hier dabei zu sein. Ich wünsche allen Menschen hier viel Erfolg und alles was sie sich für ihr Leben wünschen.